Bibliographische Angaben
G.W. Leibniz, 1716, Drittes Schreiben an Clarke, In Schüller, V., Hg. (1991). Der Leibniz-Clarke Briefwechsel. Berlin: Akademie.
Textstelle
Wäre der Raum ein absolutes Seiendes, so könnte sich auch etwas ereignen, wofür es keinen hinreichenden Grund geben kann, was aber meinem Axiom widerspricht. Ich beweise es hier folgendermaßen: Der Raum ist etwas vollkommen Homogenes und wenn sich in dem Raum keine Dinge befinden, so unterscheidet sich ein Raumpunkt von einem anderen Raumpunkt durchaus in nichts. Hieraus folgt nun aber (wobei angenommen wird, daß der Raum außer der gegenseitigen Ordnung der Körper noch irgend etwas an sich ist), daß es keinen Grund geben kann, warum Gott, die gleiche gegenseitige Lage der Körper beibehaltend, die Körper so und nicht anders in den Raum gesetzt hat. Warum ist nicht alles in umgekehrter Weise angeordnet worden, zum Beispiel durch Vertauschen von Ost und West? (Leibniz, Drittes Schreiben an Clarke, Absatz 5)
Argumentrekonstruktion
- Wenn der Raum ein absolut Seiendes ist, so gibt es den Raum, ohne dass sich Dinge in ihm befinden.
- Wenn es einen Raum gibt, in dem sich keine Dinge befinden, so unterscheidet sich ein Raumpunkt von einem anderen Raumpunkt nicht.
- Wenn sich ein Raumpunkt nicht von einem anderen unterscheidet, so gibt es keinen hinreichenden Grund dafür, dass Gott die Körper so und nicht anders in den Raum gesetzt hat (die gleiche gegenseitige Lage der Körper beibehaltend).
- Für alles gibt es einen hinreichenden Grund dafür, dass es so und nicht anders ist.
- Gott hat die Körper so und nicht anders in den Raum gesetzt.
- Der Raum ist kein absolut Seiendes.
Kommentar
Prämisse 4 ist das Prinzip vom hinreichen Grund (in einer möglichen Formulierung), welches Leibniz „als Axiom“ annimmt. Eine Diskussion des Argumentes könnte z.B. dieses Axiom oder Prämisse 5 näher analysieren. Hier stellt sich auch die Frage, ob der Bezug auf Gott für das Argument notwendig ist.
Formale Detailanalyse (optional)
Literaturangaben
Newton, I. (1687). Philosophiae Naturalis Principia Mathematica. London.