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Eine Rekonstruktion getaggt mit "Gottesbeweis"

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Anselm v. Canterburys Überlegung aus dem 11. Jh. ist der vielleicht bekannteste Versuch eines Gottesbeweises. In der Literatur finden sich zahlreiche, oft fein ausgearbeitete Rekonstruktions- und Formalisierungsvorschläge. Wir stellen hier lediglich eine grobe Rekonstruktion vor und verweisen den Leser auf weiterführende Literatur.

Bibliographische Angaben

Anselm von Canterbury. Proslogion. Übers. von R. Theis. Stuttgart: Reclam, 2005.

Textstelle

Also sieht auch der Tor als erwiesen an, daß etwas, über das hinaus nichts Größeres gedacht werden kann, zumindest im Verstande ist, weil er das, wenn er es vernimmt, versteht und weil alles, was verstanden wird, im Verstande ist. Und gewiß kann das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, nicht allein im Verstande sein. Denn wenn es auch nur allein im Verstande ist, kann gedacht werden, daß es auch in Wirklichkeit existiert, was größer ist. Wenn also das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, allein im Verstande ist, ist eben das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, eines, über das hinaus Größeres gedacht werden kann. Das aber ist doch unmöglich der Fall. Es existiert also ohne Zweifel etwas, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann, sowohl im Verstande als auch in Wirklichkeit. (Anselm, Proslogion 2)

Argumentrekonstruktion

  1. Gott ist das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann.
  2. Gott existiert im Verstand.
  3. Etwas, das im Verstand und in der Realität existiert, ist größer als etwas, das nur im Verstand existiert.
  4. Wenn Gott nur im Verstand existiert, dann kann etwas gedacht werden, das größer ist als Gott.

  1. Gott existiert in der Realität.

Kommentar

Es gibt zahlreiche alternative und detailliertere Rekonstruktionen von Anselms Gottesbeweis, z.B. in Plantinga 1967, Lewis 1970, Adams 1971, Barnes 1972. Die historisch bekannteste Kritik findet sich in Kants Kritik der reinen Vernunft. Nach Kant geht das Argument fälschlicherweise davon aus, dass „Existenz“ ein „reales Prädikat“ sei.

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Literaturangaben

Adams, R., 1971, “The Logical Structure of Anselm’s Argument”, Philosophical Review, 80: 28–54. Barnes, J., 1972, The Ontological Argument, London: Macmillan. Kant, I., Kritik der reinen Vernunft 1781/1998. Hamburg: Felix Meiner. Lewis, D., 1970, “Anselm and Actuality”, Noûs, 4: 175–88. Plantinga, A., 1967, God and Other Minds, Ithaca: Cornell University Press.