Zum Hauptinhalt springen

2 Rekonstruktionen getaggt mit "Antinomie"

Alle Tags anzeigen

· 3 Minuten Lesezeit
Als PDF herunterladen
Rekonstruiert wird Kants Argument für die These, dass die Welt einen Anfang in der Zeit hat. Zusammen mit Kants Argument für die zugehörige Antithese -- dass die Welt keinen Anfang in der Zeit hat, -- bildet es die erste Antinomie der reinen Vernunft. (Wir ignorieren hier die entsprechenden Behauptungen für die Begrenztheit/Unbegrenztheit des Raumes.)

Bibliographische Angaben

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft 1781/1998. Hamburg: Felix Meiner.

Textstelle

Die Welt hat einen Anfang in der Zeit. […] Denn man nehme an, die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang: so ist bis zu jedem gegebenen Zeitpunkte eine Ewigkeit abgelaufen und mithin eine unendliche Reihe aufeinander folgender Zustände der Dinge in der Welt verflossen. Nun besteht aber eben darin die Unendlichkeit einer Reihe, daß sie durch sukzessive Synthesis niemals vollendet sein kann. Also ist eine unendliche verflossene Weltreihe unmöglich, mithin ein Anfang der Welt eine nothwendige Bedingung ihres Daseins; welches zuerst zu beweisen war. (A426, B454)

Argumentrekonstruktion

Die Argumentation hat die Form eines Widerspruchbeweises. Aus der Annahme, dass die Welt keinen Anfang in der Zeit habe, wird geschlossen, dass eine unendliche Reihe durch sukzessive Synthesis vollendet wäre, was unmöglich ist. Somit ist die Annahme zu verwerfen.

  1. Die Welt hat keinen Anfang in der Zeit. (Annahme)
  2. Wenn die Welt keinen Anfang in der Zeit hat, dann ist bis zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine Ewigkeit abgelaufen.
  3. Wenn bis zu jedem gegebenen Zeitpunkt eine Ewigkeit abgelaufen ist, dann ist eine unendliche Reihe aufeinander folgender Zustände der Dinge in der Welt vollendet.
  4. Wenn eine Reihe von Zuständen unendlich ist, kann sie durch sukzessive Synthesis nicht vollendet werden.
  5. Eine Reihe aufeinander folgender Zustände kann nur durch sukzessive Synthesis vollendet werden. (implizit)

  1. Die Welt hat einen Anfang in der Zeit.

Kommentar

Gemäß einer alternativen Rekonstruktion der obigen Textpassage schließt Kant vorerst auf eine stärkere Konklusion, nämlich die Unmöglichkeit der Annahme, dass die Welt einen Anfang hat, und erst in einem weiteren Schritt aus der Unmöglichkeit der Annahme auf ihre Falschheit. Prämisse 5 ist in der Textstelle nicht explizit. Eine Diskussion des Argumentes müsste insbesondere auf Kants Begriff der „sukzessiven Synthesis“ näher eingehen, um Kants Definition der Unendlichkeit einer Reihe zu erörtern („Nun besteht aber eben darin die Unendlichkeit einer Reihe, daß sie durch sukzessive Synthesis niemals vollendet sein kann.“).

Formale Detailanalyse (optional)

Literaturangaben

· 3 Minuten Lesezeit
Als PDF herunterladen
Rekonstruiert wird Kants Argument dafür, dass die Welt keinen Anfang in der Zeit hat. Zusammen mit Kants Argument dafür, dass die Welt einen Anfang in der Zeit hat, bildet es die erste Antinomie der reinen Vernunft.

Bibliographische Angaben

Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft 1781/1998. Hamburg: Felix Meiner.

Textstelle

Die Welt hat keinen Anfang […] Denn man setze: sie habe einen Anfang. Da der Anfang ein Dasein ist, wovor eine Zeit vorhergeht, darin das Ding nicht ist, so muß eine Zeit vorhergegangen sein, darin die Welt nicht war, d. i. eine leere Zeit. Nun ist aber in einer leeren Zeit kein Entstehen irgend eines Dinges möglich: weil kein Teil einer solchen Zeit vor einem anderen irgend eine unterscheidende Bedingung des Daseins, vor die des Nichtseins, an sich hat (man mag annehmen, daß sie von sich selbst, oder durch eine andere Ursache entstehe). Also kann zwar in der Welt manche Reihe der Dinge anfangen, die Welt selber aber kann keinen Anfang haben, und ist also in Ansehung der vergangenen Zeit unendlich. (A427/B455)

Argumentrekonstruktion

  1. Die Welt hat einen Anfang in der Zeit. (Annahme)
  2. Wenn die Welt einen Anfang in der Zeit hat, so muss eine Zeit vorhergegangen sein, darin die Welt nicht war.

  1. Es gab eine Zeit, darin die Welt nicht war. (Zwischenkonklusion, aus 1,2)
  2. Kein Teil einer Zeit, darin die Welt nicht war, hat vor einem anderen irgendeine Bedingung des Daseins, die ihn vom Nichtsein unterscheidet.
  3. Wenn kein Teil einer Zeit vor einem anderen irgendeine Bedingung des Daseins hat, die ihn vom Nichtsein unterscheidet, dann ist darin kein entstehen irgendeines Dinges möglich.

  1. In einer Zeit, darin die Welt nicht war, ist kein Entstehen irgendeines Dinges möglich. (Zwischenkonklusion, aus 4,5)
  2. Die Welt ist ein Ding. (implizit)

  1. Das Entstehen der Welt ist unmöglich. (Zwischenkonklusion, implizit, aus 3,6,7)
  2. Etwas, das nicht entstehen kann, hat keinen Anfang in der Zeit. (implizit)

  1. Die Welt hat keinen Anfang in der Zeit. (Aus 8,9)

Kommentar

Formale Detailanalyse (optional)

Literaturangaben